Vielfalt in deutschen Nahverkehrsunternehmen – Strategie statt Lippenbekenntnis
Der Anteil an Frauen in den ÖPNV-Unternehmen liegt bei rund 20 Prozent. In den Führungsebenen ist er oft noch deutlich geringer. Das ist gleich aus mehreren Gründen von Nachteil:
- Gemischte Führungsteams sind wirtschaftlich erfolgreicher. Das gilt auch für Verkehrsunternehmen.
- Vielfältige Teams sind besser in der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen für eine vielfältige Kundschaft. Bei einem Anteil von 53 % Frauen unter den ÖPNV-Nutzer*innen ist das ein schlagkräftiges Argument.
- Vielfältige Teams sorgen allgemein für ein besseres Arbeitsklima und eine höhere Arbeitgeberattraktivität.
Jetzt ist es natürlich nicht so, als wüssten VU das nicht. Diversity schreiben sich inzwischen viele auf die Fahnen. Aber nicht alle gehen die Förderung von Vielfalt auch gezielt und strategisch an.
Wir als Hub Rhein-Ruhr des Netzwerks Women in Mobility empfehlen, dass sich VU, die strategisch und nachhaltig für mehr Vielfalt im Unternehmen sorgen wollen, sich beispielsweise an den Berliner, Bremer oder Münchner Verkehrsbetrieben und deren Fördermaßnahmen orientieren. Oder am Gender-Modell der internationalen Arbeitsorganisation ILO. Das legt fünf Strategiefelder fest:
- Stimmengleichheit: Beispielsweise sollten Entscheidungsgremien und Arbeitsgruppen vielfältiger besetzt werden, damit die Perspektiven von Frauen besser berücksichtigt werden
- Integrative Rekrutierung: Bilder und Texte in Stellenanzeigen, auf der Karriereseite oder in Social Media, sollen alle ansprechen. Mit der Angabe m/w/d allein ist es nicht getan. Unbewusste Vorurteile und stereotype Rollenbilder spielen bei der Besetzung von Stellen immer noch eine zu große Bedeutung – hieran sollte gearbeitet werden
- Gleiche Bezahlung für Arbeit von gleichem Wert: …und dass nicht nur im außertariflichen Bereich! Auch die Bewertungen innerhalb des Tarifgefüges sollten auf versteckte Ungleichheiten untersucht werden
- Arbeitsklima: Nicht nur im Büro, auch in der Werkstatt oder am Steuer müssen Anzüglichkeiten Kolleginnen gegenüber tabu sein. Aber auch sonst sollte auf Gleichstellung am Arbeitsplatz geachtet werden (bei der Dienstkleidung, bei den Arbeitsgeräten etc.)
- Vereinbarkeit Berufs- und Privatleben: Frauen übernehmen immer noch einen größeren Anteil bei der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. Das lässt sich mit starren Schichtplänen oder häufigen Schichtwechseln nicht gut vereinbaren.
Daneben gilt es, Rahmen und Strukturelles festlegen: Steht die Förderung von Vielfalt in der Betriebsvereinbarung? Soll es eine Quote geben? Nur im Vorstand oder auch bei den Azubis? Stichwort #Nachwuchsförderung.
Wer Frauenförderung dagegen wie eine saisonale Aktion behandelt, der man sich widmen kann, wenn sonst gerade nichts Wichtiges ansteht, braucht sich über mangelnde Bewerberinnen und vor allem Führungskräftenachwuchs nicht wundern.
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